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Nov. 22, 2020

Artists with wings

Unter diesem Titel möchte ich eine Reihe internationaler KünstlerInnen vorstellen. Mit manchen habe ich selbst jahrelang zusammengearbeitet. Anderen bin ich einige Mal begegnet oder habe sie gerade erst kennengelernt. Aber alle haben mich inspiriert, ja geradezu beflügelt.

Heute: Ulrike Güse - Ulitasloom

Ich habe mit Ulrike über ihre Arbeit als Weberin gesprochen, über die Besonderheit kreativen Urlaub zu machen und dies besonders im Winter 2020/21



Ulrike lebt auf der kanarischen Insel Gran Canaria, in der dortigen Hauptstadt Las Palmas. Sie ist das ganze Jahr umgeben von Bergen vulkanischen Ursprungs und den Weiten des Atlantiks. Als ich Ulrike das erste Mal auf einem der großen Kunsthandwerkermärkte – Feria de Artesania Regional – traf, fiel mir sofort Ihr Strahlen auf. Es war so ansteckend, dass es unmöglich war an ihrem Stand vorbeizugehen ohne mich in eines ihrer Tücher, hüllen zu wollen, die sie dort zumVerkauf anbot.

Deshalb zunächst die Frage: Ulrike, wie kommt es zu diesem Besonderen Strahlen, dieser tiefen Lebensfreude, die man dir sofort anmerkt?

„Vielleicht kommt es daher, daß ich eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben das tue was ICH wirklich möchte, ohne mich zu sehr durch äußere Umstände konditionieren zu lassen. Durch das Weben habe ich meine Ausdrucksform gefunden.
Natürlich stahlen auch die Farben die ich verwende. Die Naturfarben, mit denen ich meine Garne färbe, haben eine ganz besondere Harmonie, sind leuchtend aber nie schrill und lassen sich einfach wunderbar untereinander kombinieren.“


Wie hast Du mit dieser Arbeit begonnen? Wie kamst du zum Weben?

„Ich glaube unsere Generation hat noch viel textiles Wissen und Können mit auf den Weg bekommen. Wir haben doch fast alle häkeln und stricken gelernt. Textile Praktiken ziehen sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben. Zu Hause wurde bei Textilien wegen der Langlebigkeit immer auf Qualität geachtet. Den guten Geschmack und die Liebe zu schönen Stoffen aus hochwertigen Materialien habe ich sicher von meiner Mutter mitbekommen.
Ich komme beruflich aus dem grafischen Gewerbe. Als Siebdruckerin und in der analogen Druckvorstufe war viel handwerkliches Geschick gefordert. Ein Arbeitstag ohne greifbares Ergebnis würde mich nicht zufriedenstellen. Irgendwann gab es dann eine Talfahrt in meinem Leben und eine Psychologin hat mir geraten etwas zu tun was ich schon immer machen wollte. Das war das Weben. Es wurde ein Schneeball und immer wichtiger. Am Ende stand ich in der Druckerei und sagte: Eigentlich möchte ich nur noch weben.“


Wie schön dass du damit etwas für dich Erfüllendes gefunden hast. Gleichzeitig setzt Du eine wichtige Tradition fort. Weben ist in vielen Teilen der Welt ein traditionelles Handwerk. So auch auf den Kanaren, deiner Wahlheimat. Hat das eine Bedeutung für deine Arbeit?

"Die traditionelle Weberei auf den Kanaren hat nur eine geringe Bedeutung als Gewerbe gehabt. Sie wurde hauptsächlich von Frauen im häuslichen Bereich betrieben, um die Selbstversorgung mit Heimtextilien zu sichern. Diese Handwerke, wie zum Beispiel auch die Korbflechterei, die nicht in gewerblichen Werkstätten betrieben wurden, sind besonders vom Aussterben bedroht.
Das Weben ist eine der ältesten Kulturtechniken der Menschheit. Die Ästhetik eines Gewebes, das von Hand hergestellt wurde, hat nichts mit einem Industrieprodukt gemein. Ich denke in einer Zeit, in der wir kaum noch wissen wie essentielle Dinge, die uns im Alltag begleiten, hergestellt werden, ist es besonders wichtig dieses Wissen zu bewahren und zu vermitteln."


Hier schlägst du vielfache Brücken, da Du dein Wissen teilst und dabei hilfst, dass diese Dinge bewahrt werden....

"Ja, ich bin auch stolz darauf, dass ich dieses Handwerk von der Pike auf gelernt habe und deshalb in der Lage bin, es anderen zu vermitteln. In meinen Seminaren können meine Teilnehmerinnen etwas Eigenes erschaffen und der Schnellebigkeit unserer Zeit ihre eigene Idee entgegensetzen. Also in vielen Stunden Arbeit etwas für sie einzigartiges herstellen. Und damit glücklich sein."

Neben deiner Webarbeit führst du noch eine weitere Tradition fort, das Färben mit Naturfarben....

"Besonders dankbar bin ich dafür, daß ich von Nilia Bañares, einer auf Teneriffa geborenen Weberin, in das Färben mit Naturfarben eingeführt worden bin. Inzwischen verbindet uns eine generationsübergreifende tiefe Freundschaft und die Leidenschaft für das Färben. Ich habe einen Teil des Lockdowns im Frühjahr bei ihr verbracht und wir haben jeden Tag fleissig in den Töpfen gerührt.

Durch das Färben mit hiesigen Naturfarben haben meine Stücke einen direkten Bezug zur kanarischen Landschaft. Es gibt mir auch die Möglichkeit mit einem relativ geringen Garnvorrat eine breite Palette an Farben zur Gestaltung meiner Einzelstücke zu haben. "

Hast Du eine Lieblingsfarbe?


"Immer wieder die Cochenille. Die Farbe ist ja, neben der Flechte „Orchilla“, DIE Traditionsfarbe der Kanaren. Ein unglaublich schönes Farbspektrum zwischen rosa, rotorange, rot und einem bläulichen rot."




Auch meine Lieblingsfarbe. Du stellst sehr schöne Tücher und Schals her. In unterschiedlichen Größen. Aber auch Wandbehänge, Decken usw. Wie kann man sich den Prozess von der Idee bis zum fertigen Stück vorstellen?


„Meine Einzelstücke entstehen mit viel Geduld in einem aufwendigen Arbeitsprozeß: Entwurf, Färben der Garne, Musterprogrammierung, Weben an sich.

Zunächst einmal das Färben mit den schon genannten Naturfarben. Manchmal färbe ich je nach Saison, jetzt im Herbst zum Beispiel mit Walnußschalen, manchmal auch nach Laune...Das gefärbte Garn muß dann aus Lagen für die Weiterverarbeitung umgespult werden.“

Die Muster kommen teilweise aus Handbüchern. Ich gestalte aber auch meine eigenen Webpatronen am Computer.

Wenn dann das Projekt gestaltet und geplant ist wird der Webstuhl vorbereitet. Man könnte auch sagen, daß ich bei diesem Arbeitsvorgang den Webstuhl programmiere, denn tatsächlich ist es ja ein binäres System, bei dem es nur Eins und Null gibt.

Danach erst kann das eigentliche Weben beginnen, also das Schiffchen seine unermüdliche Reise von einer Webkante zur anderen beginnen. Nachdem das Gewebe vom Webstuhl genommen ist kommt noch die Arbeit des Fertigstellens. Kleine Fehler werden repariert, es wird gewaschen oder auch gewalkt und wenn das Arbeitsstück Fransen haben soll, werden auch diese einzeln von Hand gedreht.


Kannst Du den Prozess genauer beschreiben, wie der Webstuhl vorbereitet wird?


"Zunächst wird die Kette geschärt, das heißt das Garn für die Länge und die Breite des Gewebes Faden für Faden abgemessen. Nachdem die Kette auf den Webstuhl gebäumt worden ist wird jeder einzelne Kettfaden in einer bestimmten Reihenfolge, die das Muster bestimmt, in die Litzen eingezogen. Die Litzen, die auf den Schäften sitzen die mit den Pedalen verbunden werden, sorgen dafür, daß einzelne Gruppen der Fäden beim Weben gehoben oder gesenkt werden.

Als nächstes wird wieder jeder einzelne Kettfaden in das Webblatt gestochen, das dafür sorgt, daß die einzelnen Schußfäden gleichmäßig an das Gewebe gekämmt werden können. Dann wird die Kette angebunden und wenn alles fehlerfrei ist kann es endlich losgehen."




Das ist wirklich sehr aufwendig, und für jedes einzelne Stück beginnt alles von vorne.

Was inspiriert dich?


"Die sagenhaft schöne Natur auf den Kanaren mit ihrer unglaublichen Pflanzenvielfalt. Aber als Hauptstadtbewohnerin, die das Glück hat nur 3 Minuten von unserem großartigen Strand Las Canteras entfernt zu leben, das Meer und immer wieder das Meer..."


Wie ist denn das Leben zur Zeit in dieser Hauptstadt Las Palmas auf Gran Canaria?

„Bis auf das Maskentragen im öffentlichen Raum ziemlich normal. Ich gehe jeden Morgen zum Schwimmen an den Strand. Alle Bars und Cafeterias sind geöffnet, die Schulen funktionieren mit Normalität und es gibt auch viele Kulturveranstaltungen.

Sehr schade ist, daß obwohl es jetzt keine Reisewarnung mehr für die Kanarischen Inseln gibt, trotzdem kein Tourismus kommt, da sich die Lage in Nordeuropa so verschlechtert hat. Es ist schon sehr beängstigend, daß uns durch die Abhängigkeit vom Tourismus eine beispiellose wirtschaftliche Krise bevorsteht.“


Deine Arbeitssituation hat sich also durch die Pandemie-Situation stark verändert?

"Was mich besonders hart trifft sind die Reisebeschränkungen und der fehlende Tourismus, da ich einen großen Teil meines Einkommens mit Kreativurlaub und Naturfärbeerlebnissen bestreite. Man kann in meinem Atelier in 20 Stunden sein Wunschprojekt weben. Man kann hier in Sicherheit und Ruhe an einem schönen Projekt arbeiten und ich hoffe, dass bald wieder viele kommen, um dies zu nutzen."

Und dies besonders in diesem Pandemie-Jahr, man sollte wirklich die Zeit nutzen, etwas auszuprobieren, etwas zu kreieren.

Im Herbst und Winter gibt es auf den Kanaren eigentlich große Kunsthandwerkermärkte. Können sie stattfinden?

"Leider ist gerade jetzt Anfang November in allerletzter Minute einer der regional wichtigsten Märkte auf Teneriffa abgesagt worden, während alle Einksaufszentren Normalbetrieb fahren!
Anfang Dezember wird hoffentlich (Daumen drücken!) der grosse regionale Kunsthandwerksmarkt mit Teilnehmern von allen 8 Inseln stattfinden.

Unser traditioneller 3-Königs-Markt, eine wichtige Einnahmequelle für viele Kunsthandwerker, scheint allerdings noch total in der Schwebe zu sein."


Welche Projekte planst du für die nächste Zeit?

"Im Sommer habe ich eine deutsche Textildesignerin kennen gelernt und wir haben gemeinsam eine textile Kreativwoche auf La Gomera verbracht. So verrückt es klingen mag, planen wir im nächsten Frühjahr gemeinsam ein Retreat mit textilen Techniken auf Gran Canaria anzubieten."


Kannst Du jemandem behilflich sein, der auf der Suche nach einem Männergeschenk für Weihnachten ist?

"Wie wäre es mit einem Schal oder Tuch aus Leinen und Alpaca?"


Welchen Wunsch hast du für 2021?


"Gesundheit und ganz viel positive Energie für uns alle."


Viel Glück liebe Ulrike!


Wenn Sie mit Ulrike weben (und vielleicht noch retreat-mäßig entspannen) möchten, erkundigen Sie sich nach Ihren Angeboten direkt bei Ulrike. Oder suchen Sie sich eins ihrer Tücher aus.


http://www.ulitasloom.com/


http://instagram.com/ulitasloom/


ulitasloom

Ein Blog mit Flügeln.

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In wenigen Minuten werde ich auf diesen Button drücken, auf dem "veröffentlichen" steht. Es hat etwas gedauert, und perfekt ist noch weit entfernt, aber immerhin ist es soweit. Eigentlich wollte ich schon im März diese web page veröffentlichen und mit dem Blog beginnen. Ich hatte mit meiner Freundin Antje schon Pläne für verschiedene Blogbeiträge. Wir dachten, wir könnten uns den Lockdown versüßen im Austausch miteinander und mit der Welt. Leider habe ich es dann doch nicht geschafft, eine kreative Totalblockade hielt mich davon ab. Oder so ähnlich. Ich hatte aber schon einen Teil für den ersten Beitrag geschrieben und ich will es hier nun einfügen, einfach deshalb, weil es mir so vorkommt als wäre das einhundert Jahre her, und inzwischen ist so viel passiert! (oder eben gerade nicht passiert) Geplanter Beitrag vom 19. März 2020 Eigentlich wollte ich ja immer einen Fahrradblog machen. Für alleinreisende Fahrradfrauen. Oder für alle leidenschaftlichen Radreisenden. Jetzt ist aber alles anders. Radreisen, Reisen, einfach weiterfahren, das geht nicht. Kaum vorstellbar. Es kann sich nur noch um Tage handeln bis wir in unseren Wohnungen bleiben müssen. In vielen Ländern ist das ja bereits der Fall. Heute morgen hat mir eine Freundin eine Nachricht geschrieben: "Wie bereitest Du dich denn darauf vor, nicht mehr raus zu dürfen? Vielleicht kann ich von dir lernen. Da bin ich nämlich blockiert". Ich fand die Frage zunächst seltsam. Weil ich schon so dermaßen vorbereitet bin. Vielleicht liegt es daran, dass ich lange in Spanien gelebt habe und meine Freundinnen und Freunde dort bereits seit Tagen nicht mehr raus dürfen. Somit habe ich einen gewissen Informationsvorsprung, wie es so sein wird. Nachdem ich ihr alles aufgeschrieben hatte was mir zum sich Vorbereiten einfiel, antwortete sie mir: "Ich bin beeindruckt. Du weißt aber schon dass du noch rausdarfst?" Ja weiß ich, aber im Grunde bin ich bereits Solidaritäts-Immer-Drinnen mit allen die wirklich nicht mehr raus dürfen. Außerdem fühlt es sich draußen schon so crazy an. Der Radius, in dem ich mich bewegen darf hat sich ja schon stark eingeschränkt. Meine Griechenlandreise am 30. März zum Beispiel. Ich wollte nach Kreta wandern gehen. In Griechenland war ich noch nie, bisher kam immer etwas dazwischen. Bereits jetzt versuche ich alle Kontakte mit Menschen zu meiden, heute habe ich noch einmal Freunde im Garten besucht. Sicherheitsabstand zwei Meter, angefasst wurde nichts. Wir fanden es alle komisch, uns nicht zu umarmen. Aber wir konnten uns unterhalten und Gintonic trinken. Wunderbar! (Um die Gastgeberin zu zitieren) Nun geht es kreativ weiter, die Totalblockade des Lockdowns ist vorbei. Ich hoffe (gleichzeitig zweifelnd) auf die Vernunft der Menschen, damit es nicht zu weiteren Einschränkungen kommt. So bereite ich Weihnachtsmärkte vor, einen online-shop und viele schöne Dinge, die Ihr auf meiner webpage in Zukunft ansehen könnt. Und natürlich den nächsten Blogeintrag. Petra Abel
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